Phantomschmerzen
Draußen scheint die Sonne, und ich zwinge mich hinauszugehen. In meinem Garten blüht alles, was ich im Herbst als Zwiebeln gesetzt hatte, erschlägt mich mit seinen Farben und Linien. Zögerlich sammle ich Zweige und Äste auf, die die letzten Stürme überall verteilt haben. Eigentlich sollte ich mir den Rechen aus der Garage holen, um wirklich alles trockene Gestrüpp zu entfernen. So kann ich nicht mal Rasen mähen.
Aber ich hole ihn nicht. Die größeren Äste werfe ich auf einen Haufen am Bachufer. Denke mir, das blöde Efeu müsste ich auch endlich kurz und klein schneiden, weil es meine Erdbeeren komplett überwuchert.
Aber nicht heute. Mir fehlt die Kraft. Ich sehe, was nicht in Ordnung ist, und ich wüsste sogar, was ich tun könnte, damit es besser aussieht. Aber wen soll das kümmern?
So gehe ich wieder nach drinnen, stehe ein bisschen in der Küche herum, als hätte ich mich darin verlaufen. Setze mich in den Sessel und blättere in einer Zeitschrift, deren Seiten ich eine gefühlte Ewigkeit aufgeschlagen habe, ohne jedoch zu wissen, warum. Was dort geschrieben steht – ich sehe es nicht. Gehe ins Bad und betrachte mein Gesicht eine Zeit lang im Spiegel. Versuche mich anzugrinsen, jämmerliche Grimasse. Will mich am liebsten beschimpfen und trete übereilt die Flucht aus dem Bad an.
Die Treppe hoch, an den Schreibtisch... Während der Rechner hochfährt, sehe ich den Umriss meines Gesichts im schwarzen Bildschirm. Meine eigenen Augen sehen mich an, erst skeptisch, dann verschwommen. In mir drin dieser unförmige Klumpen, in Watte gehüllt und in eine Rettungsdecke verpackt, gibt keine Ruhe, klopft, krampft, schmerzt. Immer noch eine Menge Tränen, die sich ihren Weg über mein Gesicht suchen. Wann hört das endlich auf?
Emotionales Sauwetter. Regen in Strömen. Draußen scheint die Sonne.
okapidf am 27. April 16
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